Vogelzug und Migration: Ein Buch verbindet Flucht und Freiheit

Imke Müller-Hellmann erforscht in ihrem Buch die Verbindung zwischen Vogelzug und Migration, beleuchtet Rassismus und koloniale Geschichte.
Imke Müller-Hellmann erforscht in ihrem Buch die Verbindung zwischen Vogelzug und Migration, beleuchtet Rassismus und koloniale Geschichte. (Symbolbild/MB)

Vogelzug und Migration: Ein Buch verbindet Flucht und Freiheit

Gehrde, Deutschland - Die Mauersegler sind immer wieder ein faszinierendes Thema, besonders für Imke Müller-Hellmann. In ihrem neuesten Buch „Der Zug der Mauersegler“ verknüpft sie die beeindruckenden Vogelzugrouten dieser Tiere mit den Migrationswegen von Menschen, die zwischen Europa und Afrika reisen. Ihre Leidenschaft für die Mauersegler, die jährlich in Bremen auftauchen und schließlich wieder verschwinden, motivierte sie, tiefere Fragen über die Lebensbedingungen in den Durchgangsregionen der Vögel zu stellen und sich kritisch mit eigenen Vorurteilen auseinanderzusetzen. So offenbarte sich ihr das tierische Schicksal, das oftmals Parallelen zu den Herausforderungen von Menschen auf der Flucht aufzeigt, insbesondere während der zweimal jährlichen Überquerung der Sahara durch diese Vögel.

In Gehrde begleitete Müller-Hellmann einige Forschende bei der Ausstattung von Mauerseglern mit Geolokatoren – kleinen Geräten, die eine präzise Nachverfolgung der Migrationswege ermöglichen. Dabei beobachtete sie die Vögel auf einem Kirchendachboden und hatte die Möglichkeit, sie einzufangen, um die Geolokatoren zu überprüfen. Von den drei Mauerseglern, die sie markierte, kehrte schließlich nur einer zurück. Diesen nannte sie „Jabari“, was auf Swahili „mächtig“ bedeutet. Jabari flog nach Sansibar und wirft dabei historische Schatten auf die koloniale Vergangenheit Deutschlands, die durch den Helgoland-Vertrag geprägt ist.

Technologie und Forschung

Die Geolokatoren, die von Müller-Hellmann und den Forschenden verwendet werden, sind bemerkenswerte Technologien. Sie ermöglichen die ganzjährige Nachverfolgung der wandernden Vögel, da die traditionellen GPS-Systeme für die meisten Singvögel zu schwer sind. Stattdessen sind leichte Alternativen entwickelt worden, darunter:

  • Light-level Geolokatoren, die die Umgebungslichtintensität messen und Daten mit Zeitstempeln speichern.
  • Multi-sensor Geolokatoren, die zusätzlich atmosphärischen Druck, Temperatur, Vogelbeschleunigung und magnetische Feldintensität messen.

Dank dieser Geräte können Migrationsmuster, Aufenthaltsorte und das Flugverhalten der Vögel detailliert erfasst werden. Diese Daten sind nicht nur für die Grundlagenforschung wichtig, sondern helfen auch, Verbindungen zwischen Migration, Fortpflanzungserfolg und umweltbedingten Faktoren zu erkennen, wie die Vogelwarte berichtet.

Die Grundlagen der Vogelzugforschung wurden schon in der Antike gelegt, wobei bereits Aristoteles erste Theorien über das Zugverhalten formulierte. Seitdem hat sich viel getan. Ab den 1890er Jahren wurden Vögel systematisch markiert, um ihre Routen und Aufenthaltsorte nachvollziehen zu können.

Biografische Berührungspunkte

Während ihrer Forschungen traf Müller-Hellmann auf unterschiedliche Menschen, deren Geschichten sie in ihr Buch aufnahm. Besonders prägend waren Begegnungen mit einem Russlanddeutschen aus Gehrde, einem Ranger auf Pemba und einer Zimmerwirtin in Bagamoyo. Diese persönlichen Erfahrungen fließen ein in ihre Überlegungen zur Verbindung zwischen Naturforschung und den oft vernachlässigten sozialen Herausforderungen, vor denen die Menschen in diesen Regionen stehen. Sie thematisiert die Ausbeutung der Natur und die damit verbundenen Machtverhältnisse in der Forschung, die häufig von männlichen Naturforschern dominiert wurde.

So verzahnen sich in Müller-Hellmanns Werk nicht nur die schillernden Geschichten der Mauersegler, sondern auch die Geschichten der Menschen, die mit diesen Vögeln in engem Kontakt leben. Es ist ein eindringlicher Blick auf das Zusammenspiel zwischen Natur und Mensch, der uns alle betroffen machen sollte.

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OrtGehrde, Deutschland
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